Emslandlager – Bewegende Uraufführung in Meppener Gymnasialkirche

Meppen. Am Sonntagnachmittag hat eine ganz besondere Veranstaltung in der Gymnasialkirche stattgefunden. Über 200 Zuhörer waren anwesend.
Matthias Brüning
Bis auf den letzten Platz gefüllt war die Gymnasialkirche während der Lesung von Dr. Hermann Krüssel (Foto: Matthias Brüning)

Zeitweise hätte man eine Stecknadel fallen hören können, so ruhig war es zwischen den Worten von Dr. Hermann Krüssel, der aus seinem neu erschienenen Buch „Dät wuss du nich wääten„, welches von den Emslandlagern in Fullen und Versen handelt, in der Gymnasialkirche vorgelesen hat.

Über 200 Zuhörer

Die Kirche war bis auf den letzten Platz gefüllt. Alle Stühle, die man zudem noch auf der Empore finden konnte, wurden zusätzlich in den Gängen und im hinteren Bereich aufgestellt, so dass auch wirklich jeder sitzen konnte. 

Der studierte Musiker und pensionierte Lehrer Martin Tecklenburg (nächstes Foto) begleitete die Veranstaltung an der Orgel. 

Zusammen mit seiner Frau Elke Tecklenburg (Querflöte), Martina Esders und Vito Dell’Ascenza (beide Gesang) übernahmen sie, den zuvor wochenlang geprobten, musikalischen Teil der Veranstaltung. Nach den Proben war es an diesem Tag eine Art Welturaufführung.

Die einstudierten Musikstücke von Pietro Feletti wurden 2017 erstmalig in Dachau im Gedenken an die Lagerbefreiung aufgeführt. In dieser Form, wie jetzt der Gymnasialkirche, ist es jedoch eine Art Welturaufführung. Im Zweiten Weltkrieg war der Notar von den Nationalsozialisten im Lager Meppen-Fullen interniert. Über das Lager handelt auch das neu erschienene Buch.

Der im Meppener Ortsteil Klein Fullen geborene Dr. Hermann Krüssel hat nach langen Recherchen zusammen mit Günter Kathmann aus Versen ein bewegendes und aufschlussreiches Buch über die emsländischen Lager in Fullen und Versen in der Zeit des Nationalsozialismus geschrieben, das auch auf der Frankfurter Buchmesse vorgestellt wurde. 

Zum Abschluss fand Hermann Krüssel noch bewegende Worte zu den Erinnerungsorten der Lager. Wenn ich sehe, dass Gedenkstätten oder auch Kriegsgräberstätten von Vandalismus und Schmiererein betroffen sind, dann können dies nur Menschen gemacht haben, die nicht wissen, was an diesen Orten geschehen ist. Daher ist dieses „in Erinnerung halten“ umso wichtiger denn je. Von den Zuhörern gab es langen Beifall.

Die Idee, die Buchvorstellung mit der Aufführung einiger Stücke von Pietro Feletti zu verbinden, wurde auch durch die Mithilfe der Meppener Buchautorin Margret Koers, die die Autoren Hermann Krüssel und Günter Kathmann wegen gemeinsamer Interessen zusammenbrachte, erfolgreich umgesetzt. Im Anschluss der fast dreistündigen Aufführung  wechselten bereits zahlreiche Bücher den Besitzer. 

 
Beschreibung des Buches „Dat wuss du nich wääten“ („Das willst du nicht wissen“):

Auf der einen Seite Kälte, Hunger und Krankheit in menschenunwürdigen Verhältnissen, auf der anderen Seite unbedingter Überlebenswille in der Sehnsucht nach Familie und Zuhause. Hier barbarische Machtausübung im Zeichen einer perfiden Ideologie, dort tiefer Glaube, Hoffnung und Liebe. Hier Todesmärsche, dort spektakuläre Fluchtversuche. Als stummes Zeugnis eine überwucherte Erschießungsanlage.
»Dät wuss du nich wääten.« Das willst du nicht wissen − oder doch?

Die Aufarbeitung der nationalsozialistischen Verbrechen in den Emslandlagern zwischen 1934 und 1945 begann erst, als 1981 Überlebende unter anderem den Verein »Aktionskomitee für ein Dokumentations- und Informationszentrum Emslandlager« in Papenburg gründeten. Seit 2011 leistet die Gedenkstätte Esterwegen wertvolle Erinnerungsarbeit.

Dieses Buch versucht, sich einer Innen- und einer Außensicht anzunähern: Wie erlebten die Internierten das Lagerleben (Hermann Krüssel)? Welche Erinnerungen haben die Bewohner des Emslandes weitergegeben (Günter Kathmann)? Die Autoren stammen aus Fullen und Versen und machten sich auf die Suche nach den Lagerstandorten und Friedhöfen, die sich in ihren Heimatdörfern befanden und befinden. Ihre Recherchen führen von Fullen und Versen aus über Schleswig-Holstein bis nach Dänemark, in die Niederlande, in die ehemalige Sowjetunion und schließlich nach Italien und Amerika.

Das Buch (ISBN 978-3-86317-071-4) ist ab sofort im Handel erhältlich. 

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